Die Spree ist eine Autobahn, und wie bei einer richtigen Autobahn müssen folglich Stau, schlechte Luft und Lärm in Kauf genommen werden. Das war das Fazit des Amtsleiters für Wasser- und Schifffahrt in Berlin, als man sich zum 12. Stadtgespräch zum Thema Wasser im Abgeordnetenhaus traf. Die Spree als Autobahn – eine Metapher? Ganz und gar nicht. Es ist sehr konkret gemeint, denn sie unterliegt einer ähnlichen rechtlichen Konstruktion. Sie ist eine Bundeswasserstraße und deshalb gilt auf dem Berliner Fluss das Bundeswasserstraßengesetz. Und das zugehörige Amt ist nicht nur für den Unterhalt, den Aus- und Neubau, die Messung von Wasserständen zuständig, sondern eben auch und vielleicht vor allem dafür, dass der Verkehr fließt.
Diese reduzierte Sicht auf den Fluss bedarf dringend einer Vision.
Zwar existiert seit 2000 die EG-Wasserrahmenrichtlinie, die sich den umfassenden Schutz der Gewässer in Europa zum Ziel gesetzt. Bis zum Jahre 2015 sollen das Grundwasser sowie alle Oberflächen‐ und Küstengewässer grundsätzlich den so genannten „guten Zustand“ bzw. das „gute ökologische Potential“ erreicht haben. Aber wie verhält es sich mit der Umsetzung?
In Deutschland gibt es geschätzt 30 Flussbäder, die durch Bürgerinitiativen in den letzten Jahren ermöglicht worden sind. Ebenso gibt es kommunalpolitische Aktivitäten, zum Beispiel die Sanierung und Renaturierung der Isar vor München. In Berlin wird die Panke wieder freigelegt, ab 2015 wird dies weitestgehend umgesetzt sein.
Auch im Ausland gibt es viele Beispiele für eine innerstädtische Nutzung der Flüsse. So können die Wiener in den Sommermonaten in den Auen der Alten Donau untertauchen und Dank der Initiative des future.lab der TU Wien demnächst sogar im innerstädtischen Donaukanal. In Kopenhagen hat kürzlich das zweite Schwimmbad im Fluss eröffnet. Der Charles River in Boston ist neuerdings beschwimmbar. Wenn nicht gleich die ganze Wassersituation verändert werden kann, behilft man sich wie in Berlin bisher mit einem Schwimmponton: in Helsinki wird man einen temporär zu benutzenden Ponton bauen und in New York legt ab 2014 das Pluspool am Hudson River an.
Das Musterland ist sicherlich die Schweiz, es gibt in Bern, Basel, Zürich, Luzern oder Vevey seit über hundert Jahren eine Vielzahl an Flussbädern. Eine Übersicht findet sich hier „Die schönsten Bäder der Schweiz„.
Flussbad Unterer Letten Zürich ©Barbara Schindler
Auch in Berlin könnte es noch eine Badeanstalt mehr geben, und das ganz innerstädtisch, mit einem renaturierten Zufluss und 750 Meter Länge: Flussbad Berlin. So sieht es heute am Kupfergraben aus:
Spree am Lustgarten ©Barbara Schindler
Und so könnte es in 2020 dort aussehen:
Flussbad 2020 ©realities:united, 2011
Flussbad Berlin könnte ein spektakuläres Bad sein, mit Schilfklärbecken für reines Badewasser, Duschen und Umkleideräumen mitten in der Stadt.
Für den Sozialwissenschaftler Harald Welzer wäre das Berliner Flussbad ein gelungenes Beispiel für eine „Wahre Geschichte(n) aus der wünschenswerten Zukunft“. Weil es um “Parameter wie Öffentlichkeit, Lebensqualität, Entschleunigung, soziale Phantasie…” geht. Für künftige Nutzer würde es neben seiner Funktion als innerstädtisches Naherholungs- und Naturschutzgebiet beweisen, dass ein sauberer Fluss inmitten einer Vier-Millionen-Metropole eine enorme Bereicherung sein kann.
Damit die Geschichte aber wahr wird – und von der Politik nicht viel zu erwarten ist, ist für die Umsetzung ein starkes Bürgerschaftsengagement nötig. Da blinzelt man ein wenig neidisch nach New York, das ja durchaus Vorbilder einer nachhaltigen Stadtentwicklung parat hat, die auf den Einsatz vieler Bürger zurück gehen (Susanne Lehmann-Reupert, Von New York lernen).
Wilhelm von Boddien wurde kürzlich mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet, weil er mit seinem Förderverein bislang über 33 Millionen Euro für die barocke Schlossfassade aufgetrieben hat. Es wäre sicher deutlich weniger für ein kostenlos zu nutzendes Flussbad nötig, das jedoch die Museumsinsel und die gesamte Stadtmitte Berlins nicht nur in ökonomischer sondern auch in ökologischer Hinsicht extrem aufwerten und damit einen unschätzbaren Mehrwert für alle, Berliner und Touristen, schaffen würde.
Die Spree ist doch keine Autobahn! Drum sind Spenden, Engagement und Ideen willkommen.